Ba H 6/36 [40]
Hannover Am Bokemale
Mittwoch vor Weihnacht 1875
Lieber Freund Uhde!
So eben habe ich Ihren Brief erhalten und schreibe schon. Vor Allem meinen Glückwunsch
zum Geburtstag, ich wünsche Ihnen alles Gute und Schöne jeden Augenblick und freue
mich es Ihnen an Ihrem Wiegentage, so Hannoveraner den Geburtstag nen[n]en, es Ihnen für
ein ganzes Jahr auf Einmal sagen zu können [gestrichen: d], hoffend, daß wir solche Hauptschüsse uns noch
recht viele beibringen können werden. Ich hätte das lieber mündlich gethan, daß es mir
unmöglich, dafür kan[n]] ich nicht und hat ein späteres Sehen im[m]er den Vortheil, daß wir dann
weiter hinaus beisam[m]en sein werden. Der gestrenge H. Winter wird sich ja wie
jedes Jahr wieder abschieben und dan[n] eingestiegen, Pfiff u Gerassel, aussteigen u Grüß Gott
lieber Freund mit Weib u Kind! Meine Altsche ist hier bei mir, vielmehr ich bei ihr, den[n]
sie richtet sich so ein, daß ich eben mich nur in meinem Hause noch bewegen kan[n] – ob ich
sie mitnehmen werde, ist noch eine Frage der Zeit.
Mit meinem Geschreibsel machen Sie was Sie wollen, ich werffe aufs Papier wie mir
es das Gedächtniß es vorführt, lese es nicht mehr durch, damit ich durch Verbessernwollen
nicht ganz verwirrt werde. Durch mein schnelles Schreiben bin ich nun schon in der Ver=
legenheit, daß ich nicht mehr weiß, was ich schon geschrieben u mag es vorkom[m]en, daß ich über
ein & dasselbe zweimal schreibe. Und nun gar die Geschäftssache zu der meine Aufzeich=
nungen führen, die verstehe ich ganz u gar nicht u überlasse ich ganz Ihrer Umsicht –
ob früher oder später gedruckt wird ist mir gleich, eben so das Wo und Wie und was daraus
wird ist mir auch bismarcksch – Also, man tau!
Ich bin glücklich wieder Herr meiner Zeit zu sein, nachdem so viele Jahre lang von
der Ausführung eines Werkes abhängig nichts voraus frei bestim[m]en konnte, ja sogar
von, oft wahren Gesindel, Arbeitern u die Sorge für dieselben gefesselt, an rusige und
Ham[m]er dröhnende Werkstatt, wie ein Tagelöhner, den Son[n]tag als alleinigen freien Tag heran=
sehnte. Für ein nach so vieler langen Plage faulenzendes Ausruhen ist ganz gut für
mich nun wohl gesorgt; solch Faullenzen würde mir aber ein recht baldiges ewiges Ausruhen
bringen und ist mir bange um mich, wenn ich nicht bald wieder in volle Thätigkeit kom[m]en
kann; dazu gehören freilich andere u mehr Mittel als ich habe, Geld nen[n]t man die Triebfeder zu allem
Wirken, die ich mir nur langsam werde verschaffen können; darauf hin werde ich nun losar=
beiten – doch 70 Jahre – 80 Jahre – Mühe u Arbeit gewesen etc etc schnackten sehr
weise Männer, ist ganz naturgemäß – nun, man rührt sich eben möglichst; jünger werde
ich nicht, der liebe Gott läßt mir vielleicht noch lange Kraft u Muth zu weiterem Wirken
Hab allerhand Gedanken, die ich, übermüthig genug, noch auszuführen gedenke.