Der Bildhauer Haller und fas Tiroler Bäuerlein.
Der Bildhauer Haller war von Rom zurückgekehrt, wo er zum Giebelfelt der Glyptothek
kleine Skizzen zur Ausführung der Figuren ins Große im Verein mit des Kronprinz Ludwig und dem Bildhauer
Maler Professor Wagner angefertigt hatte. Zur Ausführung ins Große, ließ der Kronprinz
in der Vorstadt „im Löchel“ eine sehr geräumige Werkstätte erbauen, in der Haller ein
paar der Figuren schon in rechter Größe in Gyps ausgeführt hatte, als mir ein Zim[m]er neben
Haller, zur Ausführung des Hofpoeten [darüber: Intendaten] v Schells Denkmal im Englischen Garten einge=
räumt worden ward. Der Bau der Werkstatt war längst vollendet; die Straße an
der sie liegt; was aber bei schlechtem Wetter kaum passirbar, weßhalb die Bauern
mitten durch den zur Werkstatt gehörigen, offenen, Garten fuhren. Haller war ein sehr
schöner, riesiger und kräftiger Mann und hatte all seine Werkzeuge in ungewöhnlicher
Größe; so hatte er ein colossales Messer einst eben im Gebrauch, als das Gerassel eines
Wagens sich im Garten hören ließ; Haller und ich sprangen, ob der Frechheit des Fuhr=
mannes erzürnt hinaus, Haller zwang die Pferde zum Stehen und bedrohte das auf dem
Wagen stehende Bäuerlein mit dem Messerschlachtschwert; das Bäuerlein stieg ganz gelassen
vom Wagen, zog das Tischmesser, das jeder Tiroler mit Gabel u Löffel am rechten Schenkel
in einer Hosentasche bei sich führt, langsam heraus: stieß es in einen Baumstam[m] und
trat, mit den Fäusten an die Hüften gestem[m]t, den ihn eine Kopfhöhe überragenden
Haller entgegen, mit den Worten „schau etzt fürcht i di erst noch nit“ Es war ein
gar sehr drolliges Bild die sichere Ruhe des kleinen Bauernknirps, dem verblüfften schönen
riesigen Haller gegenüber, der seine Lage nicht lange aushielt u mit rothem Kopfe in die
undurchsichtige Werkstatt sich zurückzog, unter dem Gelächter anwesender Arbeiter;
das Bäuerlein zog eben so ruhig weiter, wie es gekom[m]en war. Der Weg durch den Garten
ward nun aber verschlossen. Haller, ein Meister seiner Kunst war durch die
Bewunderung, die er durch Wagner in Rom sich gefallen lassen mußte, mißmuthig
gemacht, ein Säuffer geworden, in München kon[n]te er sich nicht mehr zu einem ordent=
lichen Leben aufraffen und starb im besten Mannesalter an der Brustwassersucht.