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Venedig den letzten Montag im July
1876 im Hotel belle Vue, belvu um 4 Nachmittag
also immer besser Nachricht in Sommerhitze als gar keine.
Das Nachrechnen wird schwer also nur die Thatsachen ohne Tagesnummern. In Massa hatte ich
endlich den Marmor für die Psyche zur Gruppe Amor und Psyche in der Werkstatt und den Punktee-
setzer Smodelatore dabei, ich hatte angeordnet und reiste abens 5 ab. Lina war mit unsrer
lieben Freundin Theresina Isolas Frau 2 Tage vorher schon vom Berge herunter gekommen
und bewohnten wir ihre Wohnung in der Akademie; Isola war 6 Tage vorher nach Monte catena
bei Ossa ins Bad gereist. Es sind liebe, offene Freunde ohne eine Spuhr des schlechten italienischen
Wesens. Der Marmor Lieferant hielt den Marmor zurück weil er sogleich 3000 Lire voraus
erhalten wollte und erhielt endlich 900 für die Psyche und soll er 2000 noch für den Amor-Marmor
erhalten – wenn dieser auch gut geliefert sein wird. In 5 Stunden waren wir in Firenze
und brachte uns das Schickaal ins Hotel univers in dem es gut aber ochsig theuer war, es ist
eines der neusten Hotels am Arno. Das mir von früher bekannte Florenz kannte ich kaum
mehr so hat es sich vergrößert und verschönert und ist rein geworden. Am ersten Tage brachte ich
Lina in die alte Stadt und in die Uffizien am Piazza rechia, Loggia di Lanzi und zu Wagen nach dem
Essen hinauf nach Sct Migniati; alles verschönert und ist selbst des Wunderbild Firenze da doch
schöner geworden, am Abend fuhren wir noch in den großen Volksgarten. Am 2tn Tag besuchten wir
den Palazzo Pitti mit der herrlichen Gemälde Gallerie und bummelten weiter herum ins Casa Michael
Angelo etc. Am 4tn Tag giengs über die Berge in gehöriger Juli Hitze nach Bologna ins Hotel Brun
da waren wir beim deutschen Wirth bestens aufgehoben. Auch Bologna hat sich größer und schöner ge-
macht und fiel mir auch hier auf, daß Reinlichkeit in Italien jetzt zu Hause. Ich durchlief die Gem=Gellerie
Lina war müde. Die verwünschte Hitze hat mir das wenige überflüssige Fett genommen und ist's mir bange
ums nöthige Fleisch. Am Sonnabend rutschten wir hierher. Sct Marcus Duomo der vor mir,
wir wohnen ehemaliges H. Pelegrini am rechten Eck der S. M. Kirche zwischen uns und der Kirche aus
ein kleiner Platz; im Eck des großen Platzes neben dem Uhrthurm. Recht erfreut es mich daß die Kirche
außen nun auf‘s Beste hergestellt und gesäubert nun in alter Pracht dasteht, innen arbeitet man nun am
Ausbessern. Es ist die originellste Kirche die es wohl giebt, reich und glitzernd von Gold und Bilder in Mosaik
beinahe mehr als das Pfaffenthum ertragen kann, da es nichts zum Nachhelfen giebt und das Kirchengetreibe
darin verschwindet. Gestern flachten 3 große italienische Fahnen vor der Kirche am Abend vor Musick
auf dem Platze vor der Kirche und ein Giardino an der Piagette, alles voll wandelnten Volks, das sitzende
schlurfte Allerhand und wurden wir Sitzende, weil Lina ihr französisch anbrachte gehörig geprellt, das
gehört hier zum Lernen. Die Canäle haben wir auch schon gehörig durchgondelt mit N. 145, Marco der
nun uns stets bereit ist. Eben schau ich auf da steht in vollen Glanz die Seite von Sct Marco vor mir
oben 3 Kuppeln derselben weiß auf dem dunkelblauen Himmel, alle Figuren und Ornamente in scharfer Beleuch-
tung; unten ist noch wenig Leben der Venetianer schläft jetzt um später in Kühlen lärmen zu können.
Schön ist's hier und freuen wir uns darob – doch haben wir Heimweh – ein wenig - und freue ich
mich auf ein recht baldiges Ausruhen und deutsche Kost um wieder runder zu werden. Wir werden deshalb
wohl übermorgen gen Verona und – über den Brenner ins Beierland reisen, den Umweg über den Sct
Gotthart werden wir lassen müssen – man versuche die Götter nicht! Ich will froh sein wenn
ich die Alpen im Rücken und in München oder am Degernsee ein paar Tage ruhen kann