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  1. März [mit Blst. zugefügt]
    Armin Säule Ostermontag 1875
Mein lieber Freund Uhde!
Seit den 18n d. M wohne ich wieder in meinem Palazzi bit en a hier oben meist
eingeschneit u kon[n]te deßhalb die Arbeit noch nicht wieder aufgenom[m]en werden; schon am
7n d. M. kam ich von Hannover nach Detmold, am 3n war ich von Berlin nach Hannover
gereist und am 24 Februar war ich von Gentha nach Berlin gekom[m]en. Meine gute
Alte bleibt in Gentha u kom[m]t im Mai zu mir hierher; die Reise, die sie nach Beyreuth
zu ihrem Bruder machen wollte, unterbleibt, bis ich hier fertig sein werde u wird denn
wohl in meiner Begleitung gemacht werden, da ich am Ende doch noch den Geniestreich machen
werde, mit ihr nach Italiens Gefilde zu wandern; der Weg über Veytaux-Chillon ist
dan[n] wohl nicht sehr um. Vor ein paar Stunden hat mich ein Sang= u ein
Krieger=Verein aus Heiden Oldendorf, 1 ½ Stunde von hier angesungen u anmusicirt auch
angehegt, sie sangen recht gut, zu jeder Singstim[m]e ein paar Trompeten, es machte guten
Effeckt. Meines Carrlein Bräutigam hat eine große Cantate componirt, die bei der
Uebergabe des Denkmals, mit großer Orchester Begleitung u 10,000 Trom[m]eln u Trompeten,
ausgeführt werden soll, dat Stück gefällt u soll gut sein, ich verstehe wenig von guter
Musicksetzung; die Anlage gefällt mir aber – es wäre aber doch sehr schlim[m], wen[n] der
junge Man[n] sich plamirte. Ausser den Kaiser wollen noch viele Fürstlichkeiten kom[m]en,
das wird eine schöne Geschichte werden!
Schmidt interessirt mich sehr, ich sehe da ins Schauspieler Leben, was mich sehr
interessiert, die haben eben auch ihre Plage u machen sich Vertruß. Der Mensch Schmidt
gefällt mir, er war ein guter Kerl. Es wird nun so viel über mich u [eingefügt] zu mir
geschwätzt, daß es mir sehr zuwieder wird; obs auch Menschen giebt, die Freude an
dergleichen Uebergebungen haben? Gar komische Briefe kom[m]en mir aus weiten Fernen
nun zu, den meisten sehe ich es an, daß sie nur geschrieben um Geschreibsel von mir rückzuer=
halten, der Ofen nim[m]t sie alle auf.
Was ich im[m]er gesagt, hat nun auch Ihr Arzt gesagt, recht lange müssen Sie da bleiben
wo Sie sich wohl fühlen und müssens ebe abwarte, so sehr es mich freuen würde Sie wieder
näher zu wissen, so möchte ich doch nicht, daß Sie sich einer Gefahr aussetzten, nur um im
lieben Vaterlande wieder zu leben, was Vaterland! wenns einen nicht richtig hat, unser
Vaterland ist überall, wo wir rüstig arbeiten können u überdieß giebt es ja keine
Entfernung mehr.