[Am linken Rand des Blattes:]
Diesen Brief, den ich gleich nach meiner Ankunft geschrieben, nimmt
die „Bolivara“ mit nach Demerara, da sie schon morgen mit
einer neuen Sendung Ochsen dafür abgeht.[Ende]
Nr. 14 Ciudad Bolivar (Angostura)
Orinocco.
10. Juli 1853.
Liebe Mutter!
Mein letzter Brief war von Demerara vom
25. Juni (Nr. 13) Heute befinde ich mich in der Stadt,
die früher Angostura hieß, die aber seit einigen Jahren,
nach dem berühmten General Simon Bolivar
Stadt Bolivar genannt wird; sie liegt am Flusse
Orinocco. Die einzige Verbindung welche zwischen
Demerara und Angostura besteht, wird durch Goleten,
zweimastige Fahrzeuge, auch Schooner genannt,
hergestellt, die Ochsen nach Demerara bringen und
gewöhnlich leer nach Angostura zurückkehren. Ein
solches Schiff macht die Reise in 1 Monat, hin und
zurück, ladet im Unterraum 30 Ochsen, und auf
dem Verdeck 50 – also zusammen 80 Thiere. Diese kosten
hier p Stück 6 Thaler, die Fracht 4 Thaler: stellen sich
also in Demerara auf 10 Thaler. Da sie dort für
20 Thaler verkauft werden, so macht eine Golete also
p Monat ca 800 Thaler Gewinn.
Mit der Goleta »Boliviana« fuhr ich ohne
Ochsen, aber in Gesellschaft eines liebenswürdigen Pariser
am 29. Juni, Mittwoch, von Demerara, d.h. von
Georgetown ab. Diesen Ort habe ich Dir, wie ich
glaube, bereits geschildert. Georgetown liegt am
Flusse Demerara, in Britisch Guiana, ist regelmäßig
gebaut, breite Straßen, daneben Kanäle, jedes
Haus steht einzeln, in einem Garten voll tropischer
Pflanzen, überragt von herrlichen Palmen. Da
die Stadt in der flachsten Gegend liegt, so suchte ich
auf dem Leuchtthurm, am Flusse, eine Aussicht über
das Ganze. Da meinte man eine Unzahl hübscher
Villas zu sehen, von dem lustigsten Grün umrankt.
Der vielen Kanäle und der niedrigen Lage wegen
scheint mir der Ort aber nicht gesund.