Detmold, Sontag
d 21.st. Aug. ’53.
Zum erstenmal – mein lieber Georg!
Seit dm Aufenthalt in fremden Welt-
theilen, schreibe ich Dir, ohne noch einen Brif
v. Dir erhalten zu haben; für Dich wäre es
nichts Neues, mir aber gefällt’s schlecht –
gut nur, daß ich darauf vorbereitet bin
und mich daher eher der sorgend. Gedanken
entschlagen kann. Bey dem schreiben nun
überlasse ich mich auch gern der Selbst-
täuschung, Dir dadurch mal wieder näher
zu sein und werde deshalb noch öfter
zu diesem Blättchen zurückkehren.
Es ist jezt grade besonders still um mich
her; Karl ist heut’ früh nach Oerlinghausen
gegangen, in Gesellschft. seines u. Wilhelms
Universitäts-Freundes Hölting – in Cassel
etablirt, wo ihn K. auch schon besuchte –
er hat eine liebenswürdige Französin zur
Frau, aber leider! schon seit Jahren hec-
tisch, sich jezt deshalb in Lippspringe zur
Cur aufhält, von wo der Mann sie wied.
abholen will. Ein trauriges Loos für den
guten H: der seine Frau zärtlich liebt.
In vorlezter Woche trat einmal in der
Dämmrung unangemeldet ein Mann zu
mir ein, augenscheinl. etwas schwe-
res vor sich tragend; in hohem Grade
stutzig u. befremdet, starre ich hin
und erkenne endlich – als er beinah‘
vor mir steht – Wilhelm mit sm
wohlemballirt. schlafend. Jungen
in den Armen haltend –. Meine
Überraschung war groß; unser Kanzley-
Rath Rosen war Morgs. nach Oerlingh.
gefahren – wovon mir nichts bekannt –
und brachte mir die Beyden so mir Nichts
Dir Nichts mit daher – und ich?