Detmold, 26/9 ’53.
Mein theurer George,
Es war am 8ten ds. als ich durch zwey Briefe zugleich, von dir erfreut
wurde; |: dem Tage des sonst im Lipischen so berühmten Meynberger Markt’s
und ich dachte nicht, daß er mir diesmal ein so freudebringender sein würde :|
der erste Brf. datirte sich v. 10ten July, d. 2te. v. 14 August; mithin lag
eine etwas peinliche Wartezeit bis zur Ankunft des erstern, dafür
wurde ich denn nun auch reichlich entschädigt – da fürwahr diese Briefe
reich an guten u. glücklichen Nachrichten waren. Zu den guten rechne
ich zunächst dein Wohlbefinden; zu den glücklichen: daß du nicht in
Gesellschaft von 80 Ochsen, sondern eines liebenswürdig. Menschen
die jedenfalls erst etwas unangenehme Fahrt machtest und dann
die darauf folgende so interessante, auf dem Orinoco – auf wel-
cher ich, bey näherer Betrachtung, so prachtvoll sie auch sein mochte,
doch nicht mehr Lust verspürte, deine Begleitung zu theilen; denn
bey der Begegnung von „schwimmenden Inseln“ u dgl. sollte es unser-
einem doch wol ängstlich genug können zu Muthe werden – und
nun erst gar, bey dem kostbaren Konzert der wilden Thiere?
Ja, diesen Genuß, so wie auch den Besuch der „nakten, rotbraunen
Indianer“ gönnte ich dir, vollkommen neidlos! Ein u. Anderm Dr
Brüder – namentl. Carl – würde wol schon damit gedient sein,
vorzügl. mit einem Besuch auf dem Markt zu Georgetown –.
Besser gefiel mir deiner Begegnung zu Angostura mit einer Ham-
burger Bekannschaft – wie einzig, grade in dr. dortigen Wirthin
diese zu finden! Indeß möcht’ ich fast glauben, du fändest derselben
an jedem Ort der Erde – wozu der jetzige so ungemess’ne Verkehr
freilich auch das seinige thut - wie sich die junge Frau aber wol
freute?! Als ich dein 2.ts. Schrb. öffnete, wurde ich recht fra-
pirt, dich wieder in St. Thomas zu sehen –; wie das Geschick
mit dem Menschen spielen kann, zeigt sich sogar im Aufhalten
und verfehlten Begegnen unsrer Briefe; Revolution z. Lande
war Schuld am Ausbleiben ds. ersten; und zu Wasser – bey
eingetretner Dunkelheit – das Vorbeyfahren ds. meinigen
Nun aber erst recht bey Deiner schauderhaften Reise nach
Upata. Ich muß hoffen, dß. du mir keine üblen Folgen da-
von verschweigst, und in dieser besten Voraussetzg. glauben,
daß Deine Natur bedeutend abgehärtet ist, um solch’ tropische
Ereignisse und Entbehrungen in den unwirthbarsten Gegenden
zu ertragen – das schlafen mit nassen Kleidern, in d. Hänge-
matte, außer Hauses – Nein, das war mir doch zu arg!
Und doch, daß du nicht krank od. contract davon wurdest, be-
weist mir Dein alsbald darauf folgends. abentheuerliche Un-
ternehmen im Aufsuchen der Katarakten – Herr Gott –
welchen Gefahren gabst Du Dich da preis! Du ewig unersätt-
licher. Alles was sich auf der Erde u. unter dem Himmel befindet
kennen lernen zu wollen –! Ich kann nicht anders, etwas schelten
muß ich Dich darüber, – wenn ich nur fassen könnte, dß. es mir etwas
hülfe?