Theurer Merckel!
Wenn ich mich recht erinnere, so gab ich Dir in meinem
letzten Wisch das Versprechen, ganz gewisse zur Andre-
asmesse bei Dir vorzusprechen; leider habe
ich die Zeit dazu aber fast verdämmert, und wenn
der Winter dieses Jahr sich an der Werre eben so früh ein-
stellt, als am Y, so macht der alte Bursch dem Sprichwort mehr
Ehre als ich meinem Versprechen. – Zwei oder drei Tage wer-
den aber wohl nichts ausmachen, u. ein Stück Honigkuchen
ist hoffentlich auch noch für mich übrig geblieben. –
Und so ziehe ich denn meinen Styl (den ich zu diesem Zweck, wie
Du aus andern Gründen früher einmal den Deinigen, wohl so
strack u. ordentlich wie einen Besenstiel wünschen möchte) aus
dem Stall, sattle und besteige die buglahme Kracke, und trotte,
so gut es gehen will, auf ihr in’s Lippische Land, das gelobte
Land der Style.
Eine solche Reiterei hat aber doch wahrlich ihr Fatales. – Wenn
es noch mit dem simpeln Ritt durch die Luft bis vor Deine
Kneipe gethan wäre! Wenn ich dann noch, nachdem mein
Gaul eine zierliche Capriole geschritten, ich aber mit der
rechten Hand den ersten freundlichen Gruß in’s Fenster gewinkt
hätte, abspringen u. das Weitere an einem knatternden,
mit Holz aus den Umgebungen des X kruges [Kreuzkruges] wohl gefüll-
ten Decemberwindofen verhandeln könnte! – Leider
haben aber Besuche p. Styl das Eigene, daß man, so lange
sie eben dauern, zu Gaule bleiben muß; u. so muß denn
auch ich Aermster, so lange ich jetzt mit Dir spreche, es vom
Rücken des widerspenstigen Thieres herabthun, das unter
mir herumzuckelt, als hätt’ es den Teufel im Leibe. Nimm’s
ihm nicht übel! Es ist sonst doch ein gutartiger Klepper, wil-
lig u. demüthig, u. ich habe mir noch nie einen geistigen
Wolf auf ihm geritten.
Brr! Still gestanden! – Hat mich sehr gefreut,
Alter (ich meine jetzt Dich, u. nicht meinen Styl, was ich, da
ich auch beide im Verlauf dieses Briefes wahrscheinlich durcheinander
anreden werde, zur Vermeidung von Mißverständnissen ein
für allemal bemerke), hat mich sehr gefreut, nach vollen
dritthalb Jahren ’mal wieder was von Ew. Liebden zu
[am linken Rand quer:]
Deine Vorliebe für Tieck theile ich – Seine dramatischen Mährchen sind köstlich – Ich habe kürzlich
zwei ältere Prosaisten, Hippel u. Ernst Wagner, mit wahrem Genusse gelesen –