Gibraltar 1 Decbr 1850
Liebe Mutter!
In Cádiz erhielt ich noch Deinen Brief vom 4 Nov, für
den ich Dir herzlich danke. Du wirst seitdem meine Zeilen vom
7 Nov, ebenfalls aus Cádiz, empfangen haben. Zunächst freut es
mich, daß es Euch allen noch wohl geht, und die "Hölzer" werden hoffent-
lich dazu beitragen, um den Detmolder Winter weniger unangenehm
zu machen. Da Du doch aus Gibraltar einen Brief zu erhalten
wünschtetst, so schreibe ich Dir noch kurz vor meiner Abreise nach
Malaga. Übrigens will ich Dir von meinen Geschäftsangelegenheiten
lieber ein anderes Mal erzählen, weil das zu weitläuftig sein
würde. Ein Etablissement in Madrid haben wir aber nicht,
sondern nur Häuser dort, mit denen wir schon in Verbindung standen.
Wolle wird aus Spanien fast gar nicht mehr exportiert. England
erhielt im Jahre 1848 nur 100,000 Pfund Wolle aus Spanien; dagegen 27
Millionen Pfund aus Australien! Mit diesem Artikel habe ich daher
hier nichts zu thun; dagegen interessieren mich Dinge wie Baumwolle,
Leinen, Eisen und Holz, wollte ich Dir aber sagen wie und in
welcher Weise, so würde das meinen ganzen Briefbogen fortnehmen.
Beruhige Dich daher bei dem Gedanken, daß ich Verbindungen für meine
alten Freunde in England & in Hamburg anzuknüpfen suche.
Von Cadiz fuhr ich Abends mit einem spanischen Dampfboote
ab und als ich Morgens erwachte, waren wir in der Straße von
Gibraltar, zwischen den Säulen des Herkules, rechts die Afrika-
nische und links die Spanische Küste, beide anscheinend so nahe,
wie die Ufer eines großen Flusses. Während wir durch diese Meer-
enge fuhren, und aus dem Atlantischen Ocean in das Mittelmeer
steuerten, wurde es allmählig hell über den afrikanischen Bergen;
die koloßalen Felsen der spanischen Küste entfinsterten
sich ebenfalls, und als endlich das Morgenrot flammend auf
Meer, Berg und Felsen lag, fuhren wir auf violettfarbenen
Wellen dem riesigen Gibraltar entgegen.
Die Engländer konnten wirklich nichts Gescheiteres thun, als
sich diesen Felsen aussuchen, denn Gibraltar beherrscht durch seine Lage,
zwischen der afrikanischen & spanischen Küste, nicht nur diese beiden
Länder sondern auch die Einfahrt und die Ausfahrt aus dem Mit-
telmeer. Von der See aus gesehen, scheint der Felsen ganz
vom Festlande abgesondert zu liegen und erst wenn man
weiter in die Bucht von Algeciras kommt, sieht man, daß