Dtm. Sontag 13/8 ´54
Mein lieber Wilhelm!
Nach dem verflossnen angenehmen persönlichen Verkehr zwischen
Verkehr den Berlin-Oerlinghausern und hierseitig, will es
mir zu lange scheinen, nichts mehr von Euch Lieben da drüben
zu erfahren und ging deshalb gestern mal nach Weßels (?)
um beyläufig einige Erkundigungen einzuziehen, wo ich dann
zu mr. Ueberraschung hörte, daß die Frau ds. Hauses sich
derweil in Oerlinghausen befinde und auch noch nicht als-
bald zurück erwartet würde. Dies bestimmte mich denn, Dir
l. W! einen Brief Gs. den ich vor stark acht Tagen erhielt,
mit der Bitte zuzusenden, mich bey dessen Rücksendung
auch mal wieder mit einigen Nachrichten v. Euch zu erfreuen.
Wie Georgs Briefen immer etwas Eigenthümliches enthielten
so auch dieser; und ein paarmal fing mir das Hertz etwas hef-
tig zu schlagen an, besonders als er seine Allein-Wander-
schaft mit den fünf Indianern antritt –, wie gut, dß. ich
drgl. nicht eher erfahre, als bis es glückl. vorüber ist –!
Bey allen ihm entgegentretend. Hemm- u. Hindernissen –
blieb ihm bisher doch noch allzeit Glück und Geschick zur –
Seite, möge es ihm ferner so gelingen und der liebe –
Gott ihn vor Unglück bewahren. Es berührte mich eigends
vor ein paar Tagen in der Zeitg. zu lesen, daß man am
11ten July in Bogota ein leichtes Erdbeben verspürt habe –
Ende May hatte er Bogota verlassen – kein Wunder
dß. mir das Schicksal der Stadt Salvador dabey einfiel?
Wie das Unglück aber den Menschen überall treffen kann, sehen
Wir an dem König v. Sachsen – wie entsezlich!
Die Abreise unsres Fürsten wird nun auch nächsten Tage
vorsichgehen, – sollte das Hertz der Fürstin-Mutter nicht auch
bey dem Gedanken etwas stärker schlagen, wie gewöhnlich?
Doch von den Großen der Erde zurück zu den „kleinen
Leuten“: so erhielt ich am 27sten vor. Mts. v. Ferdinand
ein ganz vergnügliches Schrb. nach ihrer Rückkunft in Berlin
Tony ließ waschen, scheuern, schruppen und was weiß ich Alles –
Und wußte nicht (wie er sagt) dß. er hierher schriebe – jeden-
Falls ging es Beyden wohl. Unser Carl dagegen wurde
in vorg. Woche von einer Cholerine befallen, die ihn für
ein paar Tage recht herunterbrachte; jezt ist er wieder auf
dem Damm, indeß hat man noch Ursache, auf seine Diät zu
denken. Bey Cölln’s geht’s so weit wohl. Vor einigen Tagen hat
Alths. sn. Sohn Friedrich – – denn mit der Anna Koppe getraut –
den Jüngling, der die „höh’re – Theologie“ studiren wollte?!
[am linken Seitenrand]
Doch Adé mein Sohn! Bis auf Weitres und Immer
Deine treue Mutter.