Lieber Wilhelm!
Da ich heute d. 25st. Aug. meinen u. Carls Brief von Georg
abgesandt habe, sende ich Dir einl. sein leztes – freil. nur
flüchtig geschriebnes Blatt, was indeß viel enthält u. noch
viel mehr voraussetzen und vermuthen läßt, worüber sein
nächster Brief wol schon einigen Aufschluß wird geben können.
Erst. machen jene revolutionaire Geschichten ihm doch einen
ungeheuren Querstrich in all’ seinen Handelsunternehmungen.
Zwts. muß er unter dem von ihm angegeb’nen Verhält-
nissen eine entsezlich angreifende, entbehrungsvolle
Reise von „länger als 1 Monat“ gemacht haben, wo es
ja an Menschen, Thieren zum Weiterkommen, Dampfbooten
Lebensmitteln, kurz an Allem – außer einem Canoe ge-
brach; Wie mag der arme Mensch dabey herunter ge-
kommen sein – !? Und nun die Rückkehr nach St. Thomas –
liegt’s da nicht nah’, zu vermuthen, daß er nach schriftl.
Erörtrungen an das Manchester-sche Haus, auch ––
nun vollends nach Europa zurückkehren wird? – –
Es kommt mir dies sogar als sehr wahrscheinlich vor, –
und ich bin nicht wenig gespannt auf sn. nächsten Brf. –
Was Alles ist hier nicht auch seit Dm. Hiersein vor-
gegangen – zunächst der Schlag in der P-schen Familie
dann das schnelle sterben des Prinzen Friedrich, d. Jüng.
(wie könnte sich da wol Einer in der fürstl. Familie ds. Wunsches
enthalten: es möchte der unglückl. Aeltere sein? –)
Die ganze Familie ist jezt hier, und Morgen, Sonnab. Abend, wird
die Leiche hierhergebracht. Die Geistlichkeit soll sie hier bey un-
serm Hause – um 8 Uhr – in Empfang nehmen, doch wird sie
v. Johanettenthal aus mit Fackeln eingeholt. Der Zug soll
sich über den Wall, der Ameide, u. Schloßplaz zur Kirche
bewegen, wo selbst die Leiche beygesezt wird. G. S. Althaus
hält eine kurze Anrede u. ein Gebät und Cölln Sontg. die Leichen-
predigt; so hat A. es mit diesen abgeredet und nach dem C. einige
nicht unbegründete Einreden dagegen gemacht, in sehr resignirender
Weise darauf bestanden; es ist einzig mit dem Mann –
Nun noch das lezte Ereigniß; sitze ich Mittwoch gegen Abend in der
Nähe eines Fensters, kommt ds. O-Försters v. H-s. Wagen vorüber,
Heise sizt links, recht’s liegt der O-F. flach hingesunken darin –
ich denke: nun, der schläft mal wieder sn geholten Rausch aus –
der Knecht spannt aus u. schiebt den Wagen in die Remise, nun wird
der Mann ins Haus getragen, wie sonst, jedoch findet sich’s, dß. der
Körper schon kalt u. der Mann – – todt ist! Nachdem die herbeyge-
holten Aerzte es bestätigt, – – wird das Gericht zur Versiglung
herbey geholt //
[Seitlich am linken Rand]
Sonnabd., d 26sten. Da heute verschiedne Bohnen-Arbeiten auf mich warten, so
schrieb ich vorstehds. gestern theils im Halbdunkel, thls. bey Licht, darum solch kostbare Schrift.
[Am oberen Rand kopfüber]
Dies Alles das Ergebnis einer Stunde! X
// Wie dauert mich diese jammervolle Todesart –
Mir fiel beym Schlafengeh’n der Schluß eines Verses ein, den meine Mutter mich
oft beten ließ: „Laß mich nicht in Sünden sterben, noch an Leib u. Seel verderben.“
Gott wolle sich der Seele jenes verwahrlosten Mannes erbarmen!
Gute Nacht – mein lieber Sohn! Herzlich grüßend, Deine
treue Mutter.
X Von Meinbg. kommend, wurden bey’m Bruchkruge noch Spirituosen genommen.)