10 Moorgate Street, 22/4. 47,
Lieber Schücking,
Ich mache mir fast Vorwürfe, daß ich deinen theil-
nehmenden Brief vom November nicht schon eher be-
antwortet habe. Aber ich muß zu Viel von meiner
Zeit den monotonen, täglich wiederkehrenden An-
forderungen meines Berufs widmen, u. wenn ich
meine wenigen Freistunden u. Freitage (holidays,
not Fridays) mit Weib u. Kind verleben will, wenn
ich überdies nicht ganz vergessen soll, daß ich doch ei-
gentlich ein Poet bin u. Verse aus dem Aermel
schütteln muss, so kann ich nicht wohl anders, als
im Punkte der freundschaftlichen Correspondenz
ein wenig faul werden u. mich auf die Nachsicht
meiner Freunde verlassen. Vergib darum auch du
mir, u. rechne immer auf die alte Gesinnung, auch
wenn ich nothgedrungen manchmal das Maul halte.
Eigentlich weiß ich kaum, ob dir noch mit mei-
nen Briefen gedient ist. Der Landrath Heuberger,
ohne mein Ça ira gelesen zu haben natürlich u.
bloß den Inspirationen der Allg. Preußischen fol-
gend, hat mir vor etlichen Monaten die Freund-
schaft gekündigt, u. ich kann es lediglich den
Fußfällen seiner Töchter beimessen, daß er mich
heiligen Eifers nicht auch in effigie als Hoch-
verräther verbronnen hat. In der That, es ist so
belustigend als wahr: er hat sämmtliche in seinem
Hause befindlichen Conterfeis meines bieder-
männischen Vollmondsgesichtes den Flammen
übergeben wollen, nicht zufrieden damit, daß
er sie schon gehängt hatte – an die Wand näm-
lich. Aber Lili u. Mechthild u. Adelheid haben Zeter
geschrien u. Kniebeugungen praestirt, desselbigen
gleichen auch die hochverrätherischen Rahmen vom Wand-
galgen abgehoben u. im Kuhstall der entlegensten