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Hannover den 16tn December 1874
Mein lieber Freund Uhde!
Obgleich dieser Brief nicht sogleich fort soll, so drängt es mich doch ihn jetzt schon zu
beginnen. Ihr Brief vom 10tn hat mir viel Freude gemacht und gar viel Lachen, wer so schreibt
der muß sich wohl fühlen, Gott lob! möge es Ihnen doch im[m]er wohler ergehen. Ihr Buch erhielt
ich einen Tag früher. Ihre Anweisungen zur Schreiberei werde ich befolgen, so wie das Buch
wird mein Kunderbund aber sich nicht zu einem Ganzen gestalten. Seidler Aufzeichnungen
interessiren mich sehr, sie führen mir Vieles vor was ich selbst erlebt und Personen die
mir befreundet und bekannt; Weiberaugen sind keine Männeraugen, erstere dringen
nicht so tief ein, wie die andern und die Seidlers Augen kamen meist nicht durch die Ober=
fläche, glückliche Augen, solche befriedigen den Träger leicht. Seite 224 steht, die ein=
zige Statue, die Thorwaldsen in Marmor vollendet, gebe Zeugniß, daß Th: eben so wie
Canova den Marmor trefflich zu bearbeiten verstanden, vom Adonis ist da die Rede.
Thorwaldsen hat in seinem Leben nur eine Büste in Marmor MIT fertig gearbeitet
und hatte solche wohl als Merkwürdigkeit in seiner Wohnung stehen, uns Bildhauer war sie
Beweis, daß er nicht in Marmor arbeiten kon[n]te und einstmals als er in der Villa Albani
mit andern Künstlern weinseelig war und behauptete, er würde den rechten Arm auf den Rücken
gebunden, noch eben so gut wie Canova [lat. Schrift] in Marmor arbeiten – ward er gehörig verlacht -
liebenswürdiger, bescheidener Meister! Adonis – diese Figur hatte der Kronprinz Ludwig,
später König von Bayern, bei Thorwaldsen bestellt, bestellt, kurz ehe ich nach Rom reiste :/ ich kam im Herbst
1825 nach Rom /: Ich sollte eben diesen Adonis in Marmor fertig arbeiten als Schüler
Thorwaldens, ich hatte aber werder Lust Thorwaldsens Schüler zu sein, noch sein Marmor Arbeiter zu werden
und kam deßhalb bei König L: stark in Ungnade. Der Adonis ist nachdem die halbe Figur
von einem Römer, Schüler Canovas namens Monti :/ ich irre wohl nicht /: in Mamor überarbeitet war und dieser
sich mit Th: überworffen hatte, von einem anderen Römer fertig gearbeitet worden; am Adonis
sind dem Kundigen die 2 verschiedenen Arbeitsarten auffällig. Die Marmor Ausführungen
waren in Th: Werkstätte ein wahres Durcheinander, meist von Anfängern, die keinen Meister
darin über sich hatten und sind die Eigenthümer von Ths Marmorwerken deßhalb meist betrogen.
Ich fand einmal in der Werkstatt von einem Relief mehrere in Marmor neben einander zum Kauf
aufgestellt, nur eines davon war schön ausgeführt von einem Russen, ich sagte zu Th: wie können Sie doch diese so
neben einander ausstellen, wo nur eines gut? „Sie sollen sehen, das gute verkaufe ich nicht zu erst,
zuerst die reineren Marmore und – der Name thuts! - er hatte recht.
[linke Seite quer]
Thorwaldsen war ein eckeler Geizhals, als Bildhauer Monit [lat. Schrift] Schüler Canovas [lat. Schrift] alt geworden, zog ihn Th. für den er als bester Marmorarbeiter thätig war
von seinem Gehalt ab, da legte Monit [lat. Schrift] vom letzten Vierteljahr denselben Abzug mit dem Worten hin „ich werde da auch schon weniger haben leisten können“ Th nahm es an
u verlor seine beste Hülfe. Ich weiß noch mehr solch Erbärmliches von Th. dem Liebeswürdigen.
[rechte Seite quer]
Alle, nur ich nicht, hatten gar
gewaltige Lorbeerkränze auf den Häuptern, ich mag das Eselfutter nicht.