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Hannover 3tn Januar 1876
Lieber Freund Uhde!
Hoffendlich haben Sie mit Frau und Kind 1876 fröhlich angetreten, möge es Ihnen ein recht
freudiges Jahr werden! Das vergangene Jahr habe ich mit schweren Sorgen im Bewußtsein der in ihm
mir kom[m]en werdenden Arbeiten und Verpflichtungen angetreten – der Allgütige hat mir alles
Schwere druchleben lassen und wenn mein schwacher Körper dabei auch wie geknickt ward, so hat er sich doch
noch zum Schlusse des Jahres wieder erstarkt und mit meinem ein geknickten Muth gehe ich getrost
weiter; habe nun freilich keine bestim[m]te Aufgabe mehr vor mir und kan[n] nur wünschen, daß alle
Anforderungen, die ich mir stelle u die mir von Anderen gestellt werden, ich auch nach und nach noch
auszuführen im Stande sein möge. Es ist mir ein ganz neues Gefühl der Freiheit und Sorgenlosig=
keit, das jetzt in mir lebt; es war doch ein schwerer Zwang, den mir mein Wollen, für mein großes
Volk durchs Armin Denkmal zu wirken aufgelegt hatte und begreife ich meine feste Zuversicht nun, ruhig,
nicht – ich wußte, daß ich mein Werk zur Vollendung bringen würde – daran, daß mir
nach Erreichung meines Zieles auch Lebenssorgen abgenom[m]en werden würden, daran dachte ich durchaus
nie und um so freudiger ist es mir, daß solches geschehen ist – es ist mir oft wie ein Wunder, daß
ich nicht mehr so Alltagssorgen haben muß. Nun hat man mir die paar hundert Thaler, die ich
meinen nächsten Verwandten schuldete bezahlt und mir die Bezahlung des Transports meiner
zerstreuten Bildhauerwekre zu an einem Orte in Aussicht gestellt, wodurch mir sich die Aussicht
eröffnet, auf ein freudiges Zusam[m]enleben auch mit meinen Kunstkindern. Wen[n] ich die noch
einmal um mich versam[m]elt sehe, dan[n] sollen Sie auch nach den fröhlichen Bidlhauer, wie ich früher
war, in mir kennen lernen. Ruhe [darüber: grauer] v. Rothbart! 76 Jahre! Was kom[m]en soll, wird kom[m]en.
Am letzten Tag des eben vergangenen Jahres habe ich Gänsefedern abgedankt und halte
ich mich nun an Stahlfedern, die Schrift siehr nun reinlicher aus.
Die Zeitbestim[m]ungen werde ich von jetzt an möglichst genauer geben, was oft aber sehr
schwer sein wird, da ich mich ohne Zeiteintheilungs Maschiene im[m]er freist lauffen ließ.
Arnulfs Unfall geschah 6 Stunden nach Abfahrt von München, auf der Reise nach Berlin
ohnweit über der Poststation Bug? zwischen München & Pfaffenhofen; der Tag der Abreise
findet sich wohl noch in den Briefen